Studenten Start-up
Internet-Nachilfe für Senioren
Von Matthias Klein
Viele Jüngere kennen das Phänomen nur zu gut: Wenn Opa oder Oma sich endlich ihre ersten schicken Computer zugelegt haben, tauchen prompt die ersten Fragen auf. Wie schaltet man nochmal das Internet an? Und wofür braucht man eigentlich einen Browser? Da hilft nur eines: schnell den Enkel anrufen.
Für Andreas Dautermann, 29 Jahre, ist dies eine altbekannte Erfahrung. Er ist so einer aus dieser Enkelgeneration, dessen Telefon dann klingelt. Er war schon immer ein gefragter Computerexperte, schließlich hatte er bereits als Kind begeistert an PCs gebastelt und geschraubt. Senioren aus der Nachbarschaft half er schon vor Jahren bei ihren ersten Gehversuchen in der schönen neuen elektronischen Welt.
“Mir haben viele Menschen immer wieder dieselben Fragen gestellt”, erzählt der Mainzer Student. Vor einem halben Jahr hatte er mit seinem Kommilitonen Kristoffer Braun, mit 27 auch einer aus der Enkelgeneration, dann die zündende Idee: ein Internet-Portal sollte es sein, um älteren PC-Nutzern die Welt der Bits und Bytes näher zu erklären.
In einem Uni-Seminar sammelten die beiden Erfahrungen mit der Produktion von Videos für das Internet. Seit Anfang Juli sind sie nun mit ihrer Seite “Starthilfe 50” online. Kürzlich erhielten sie dafür beim Wettbewerb “Wege ins Netz 2009” vom Bundeswirtschaftsministerium einen Preis.
Wie deinstalliere ich ein Programm? Wie brenne ich eine CD? Und wie richte ich ein sicheres Passwort ein? Solche Fragen beantworten die zwei Studenten auf ihrer Webseite mit kurzen Videos. Einprägsam und einfach erklärt zeigen sie, wie die Anwendungen funktionieren und was zu tun ist.
Momentan besuchten etwa 500 bis 1000 Nutzer pro Tag ihr Angebot, erzählt Dautermann. “Wir erhalten sehr viele positive Reaktionen. Die Leute berichten uns in ihren E-Mails oft stolz, wie alt sie sind und was sie so alles im Internet machen.” Solche netten Nachrichten seien wichtig für die eigene Motivation – denn Geld verdient das Duo mit seinem Angebot bislang nicht.
“Wir möchten die Seite bewusst werbefrei halten”, sagt Braun. Ihre Geschäftsidee: eine DVD. Die enthält alle Videos, kostet aber 20 Euro.
Angesichts des großen Aufwands ist viel Idealismus gefragt. Einen ganzen Arbeitstag dauere die Produktion eines einzigen Videos. “Uns gefällt einfach, dass wir dabei selbst sehr viel lernen”, erläutert Braun. “Das zahlt sich bestimmt später beruflich aus.”
Die beiden Mainzer sind leger gekleidet. Sie erzählen offen und selbstbewusst von ihrer Arbeit. Wenn sie von ihrer Internet-Seite berichten, merkt man ihnen die Begeisterung an. Typisch Technik-Freaks: “Wir arbeiten beide hauptsächlich alleine zu Hause. Wenn wir etwas besprechen wollen, schreiben wir uns eine E-Mail”, sagt Dautermann grinsend.
Wie viele junge Menschen träumen die Publizistikstudenten, die kurz vor ihrem Hochschulabschluss stehen, von einem Leben als Start-up-Unternehmer.
“Wir haben schon immer gehofft, dass wir uns eines Tages mit einer Idee selbstständig machen können”, erzählt Dautermann. Ob “Starthilfe 50” dafür die Voraussetzungen bietet? Nach der aktuellen ARD-ZDF-Onlinestudie nutzen mittlerweile 11,9 Millionen Menschen ab 50 Jahren das Netz – und diese Gruppe biete das größte Wachstumspotenzial.
Dautermann und Braun haben jedenfalls große Pläne. Aktuell basteln sie an Videos zu Themen wie unerwünschter Werbung und unseriösen Gewinnspielen. Ihre Ansprüche sind vorerst noch nicht groß: “Ein eigenes Büro wäre ein Traum für uns.”
Quelle:
Frankfurter Rundschau vom 07.01.2010
sowie
www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/2189216_Studenten-Start-up-Internet-Nachilfe-fuer-Senioren.html